Portobello Film Festival 2015
Dank der Unterstützung der AG Kurzfilm und German Films konnte ich im September 2015 auch kurzfristig noch mit meinem Experimentalfilm "Dead Fish from Berlin" für einige Tage zur 20. Ausgabe des PORTOBELLO FILM FESTIVAL reisen, zentral gelegen in London, Mitten im Stadtteil Notting Hill, direkt am weltberühmten Portobello Market.
Seit 1996 hat sich das Festival als feste Instanz der Londoner Filmszene entwickelt und wurde von der Presse unter anderem als "The biggest celebration of Independent Film in Europe" (The Independent) und als "The wild side of First Film" (Metro) gepriesen. Es ist eindeutig ein Publikumsfestival und independent durch und durch. In der Anfangszeit zeigten hier Guy Ritchie und Shane Meadows ihre ersten Filme, kamen in den vergangen Jahren mal Nicolas Roeg und Thomas Vinterberg zur Präsentation, schauten Anita Pallenberg und Julien und Juno Temple mal vorbei - und der Bürgermeister von South Kensington gibt all jährlich vor Ort seinen Segen. Wer allerdings einen roten Teppich, schicke Kinos oder eine aufgestylte Festivalkulisse erwartet, der ist hier komplett fehl am Platz. Das Festival ist über die Jahre hinweg schon viel innerhalb von Notting Hill gewandert und musste umziehen, und fand die letzten sechs Jahre im "Pop-Up Cinema" (offensichtlich eine ehemalige Lagerhalle, überirdisch direkt unter der "Underground"), und dem kleinen "The Muse" (sonst eine Kunst-Galerie) statt, was dem Charme und Charakter jedoch keinerlei Abbruch tut. Im Gegenteil: das Portobello Film Festival kann man als ein Independent Film Festival par excellence bezeichnen: dieses Jahr 17 Festivaltage, mehr als 350 Filme, die meisten davon kurz, im Schnitt ein- bis zweimal täglich auch ein Langfilm, aus aller Herren Länder und Genres, oft bunt gemischt (fiktional, dokumentarisch, animiert oder experimental) - und das Beste daran: alle 'screenings for free' für jedermann und -frau. Es gibt Reihen zu beispielsweise 'Sci-Fi/Fantasy', 'Art & Fashion' oder 'Comedy', genauso wie spezifische Länderblöcke mit Filmen aus Deutschland, Spanien, Rumänien, Kanada oder Belgien.
Ich war im Block "Animation & Experimental" mit meinem Film dabei und kam am Abend des Screenings an, wurde freundlich von der Koordinatorin Leona Flude begrüßt und vom Programmer Ray Myndiuk (der auch gleichzeitig als Projectionist die Filme aus dem Vorführraum, der ein Container ist, der auf einem weiteren Container steht, der eines der Festivalbüros ist, zeigt) herzlich empfangen. Beide haben auch sehr dankend, begeistert und interessiert das Promo-Paket der German Films entgegengenommen und angesehen. Das Screening selbst war unter der Woche leider nur mit etwas über 30 Leuten besucht, und man konnte danach noch kurz und bequem vor Ort Rede und Antwort stehen. Dafür sind die Screenings am Wochenende, wenn überall Markt ist, mal durchaus gerne "ausverkauft" und das Pop-Up ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Vom Hauptsponsor der Hauptpreise, der Portobello Brewery, bekam ich all abendlich ein Ale in die Hand gedrückt und als Souvenir gab es ein T-Shirt.
Das Festival selbst hat leider kaum Budget und leider gab es dieses Jahr keine workshops (was es in der Vergangenheit hin und wieder mal gab), jedoch schaffen es auch einige andere internationale Filmemacher auch unter Woche für ein paar Tage nach London und man kann sich kennenlernen und austauschen (bsp. Holger Schumacher, der mit "In sieben Tagen", oder Claire Tatin, die mit "A dill pickle" vertreten waren). Mit den Leuten vor Ort kommt man zumindest schnell in Kontakt und man sieht ein vielfältiges und gut ausgewähltes Filmprogramm (Highlights für mich waren "Alles wird gut" von Patrick Vollrath, "Foley Artist" von Toni Bestard, "Everyone's Wally" von Paolo Sedazzari, und "Scarlet says" von Marley Greenville). Eine nette und praktische Einrichtung ist das "Videocafe", wo man sich während eines Zeitfensters am Nachmittag zu seinem Getränk auch noch einen Kurzfilm vor Ort dazu bestellen kann. An den letzten Festivaltagen finden noch die (immer sehr begehrten) London Filmmakers Conventions und ein showcase der National Film and Television School statt, also Treffen ortsansässiger Filmemacher, an denen ich leider aufgrund der Kürze meines Besuchs nicht teilnehmen konnte.
Festivaldirektor Jonathan Barnett (der einen immer über die sozialen Netzwerke auf dem Laufenden hält) und sein Team aus größtenteils Ehrenamtlichen, stellen hier jährlich ein sehr gutes, unabhängiges Filmfestival auf die Beine, auch wenn man sich über die Zukunft der Spielstätten in der Gegend jetzt schon Gedanken machen muss (Anmerkung: das Pop-Up Cinema wurde kurz nach Ende des Festivals im Oktober 2015 geschlossen). Zusammenfassend kann man sagen, dass das Portobello Film Festival bestimmt schon (je nach Jahr) bessere, aber auch schon schlechtere Zeiten erlebt hat, so oder so aber hoffentlich in dieser Form als Event mit einem breitgefächertem Programm, über zwei Wochen, kostenlos, mitten in einem der besten Stadtteile Londons, gerade in dieser Gegend, erhalten bleibt. Eine Reise wert (gerade zum Wochenende) ist es auf jeden Fall.
www.portobellofilmfestival.com